Liebesgeschichten, Picus Verlag 2007
183 S. ISBN 978-3-85452-619-3
Ein Bogen fiktiver Lieben
„Alles wird gut“ steht viel versprechend auf dem Buchcover und nichts, gar nichts wird wirklich gut in diesen acht Geschichten über Liebende und Geliebte.
„Nachts halten wir Wache. Es könnte sein, dass jemand klopft, dass sie uns ruft. Dann möchten wir bereit sein. Wir möchten die Gelegenheit nicht versäumen, die vielleicht nur einmal kommt. Dafür rüsten wir uns. Wir sind da, wenn sie uns ruft.“
Unmöglich macht sich der Mensch selbst die Erklärung, die Offenlegung, das zueinander Finden, vor allem der Typ, dem Habringers Zuneigung gehört: die meisten seiner Helden sind ungelenk, von durchschnittlichem Äußeren, schüchtern, nicht mehr ganz jung, Männer, die leicht übersehen werden, Frauen, die zu leicht übersehen, Kinder, die nicht wahrgenommen werden. Und alle lieben mit stiller Verzweiflung.
Rudolf Habringers so sehnsüchtig liebende Männer verbindet alle, dass sie ihre Liebe nicht ausdrücken können. Sie tun sich schwer mit den Frauen und sie haben Angst vor Zurückweisung. Ihre Welt ist eine Welt aus Klängen, Echos, Rhythmen, Stimmen und wahrgenommenen Modulationen, Musik wird hier nicht nur zu einem Motivträger, Musik bestimmt den Ton der Geschichten und die Farbigkeit des Textes. Der Pianist und seine Tänzerin, der Stimmenfreak und die Radiosprecherin, der Junggeselle und die junge Witwe, der er für Stunden nahe kommen darf, erleben Nähe nie unbelastet, das Gewicht von Erwartungen und Sehnsüchten, auch verpflichtenden Handlungen liegt auf ihnen. Die Leichtigkeit der Liebe sucht man hier vergeblich, auch wenn das Lachen über die Helden vom Autor gerade zu zärtlich dirigiert wird.
Die Titelgeschichte fällt insofern aus dem Rahmen, weil hier, sensibel und zurückgenommen, die Liebe eines Kindes zu seinem Vater thematisiert wird, Unaufmerksamkeit und falsche Einschätzung tragische Folgen haben, sich dem Kind nur grausame Spielmöglichkeiten eröffnen.
Der Priester, der über persönlicher Liebe und Enttäuschung seine Liebe für alle aufbraucht, gerät in seinem endgültigen Akt des Aufgebens zu einer tragischen Figur. Auch der Mann, der sich umbringt, Frau und Kollegen sprachlos zurücklässt, alle miteinander unfähig auch jetzt, Gefühle auszudrücken und Empfindungen zu teilen, stellt sich als einsam Liebender heraus.
Rudolf Habringer, 1960 in Oberösterreich geboren und dort als Schriftsteller lebend, hat mit diesen - durchaus konventionell geschriebenen - Geschichten bewiesen, dass er sensibel Zwischentöne darstellen kann und für Ungesagtes berührende Bilder findet. Vielleicht hätte ein Verzicht auf die letzte, autobiografische Kurzgeschichte den Bogen fiktiver Lieben geschlossener gestaltet, sie passt nicht wirklich in diesen Rahmen.
Auf jeden Fall hat der Autor ein Gespür für Details und wie man Banales in Aussagekräftiges verwandelt. Es ist keine originäre, aufregende Sprache, in der uns so leise das Tragische vorgeführt wird, aber wie man auch dem Lächeln darin überzeugend Raum geben kann, beweist Rudolf Habringer mit großer Empathie für seine ausgegrenzten und sich selbst ausgrenzenden Helden gekonnt.
B.K.
Veröffentlicht in der FURCHE 2007