Roman, Picus Verlag 2014, geb., 200S.
Ferdl ist bereits in den besten Jahren, als in den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts seine Mutter Anni an Krebs stirbt. Er ist ein schweigsamer Installateur in einem Dorf, das ihm zwar geradezu unangenehm vertraut, aber keine wirkliche Heimat ist. Eigentlich will er seine Ruhe haben, nicht rühren an verdrängte Wahrheiten und schmerzende Einsichten. Bloß kann sich der Ferdl das Denken nicht versagen, auch wenn ihn erschreckt, was ihm zu Nachbarn und zur eigenen Familie einfällt.
Die Alkohol verbrämten Leichenschmauserinnerungen zwingen Ferdl geradezu, sich mit der Mutter, die sowohl Anni als auch Susanne heißt, und der seltsamen Tante Meri auseinander zu setzen. Und dann, kaum hat sich Ferdl vom mütterlichen Sterben erholt, ist die unnahbare Frau Tante tot; unter dubiosen Umständen wird sie gefunden. Allerdings wird das dem Ferdl zunächst verheimlicht.
In mehreren Strängen wird die verflochtene Geschichte der drei Familienmitglieder aufgedröselt. Die gewaltigste Stimme gehört Ferdl, der in österreichischer Erzählmanier das Perfektum geradezu feiert.
Dorothea Bauer glückt hier ein überzeugender Nestroy'scher Zungenschlag, gepaart mit der dazu passenden Erkenntnis und ihren bitteren Pillen. Großartig die punktgenau gesetzte banale Bosheit, die naive Hoffnung, umrahmt von Wurschtigkeit und ergebener Zuneigung, bohrender Zweifel inkludiert. Überzeugend entwickelt die erst 1990 geborene Studentin der Publizistik und Philosophie die tragischen Höhepunkte und verbindet, ohne ein Wort zu viel, Biografien aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Der chilenische Einschub erklärt Charaktere und Geschichte meisterlich, weil die junge Schriftstellerin genau weiß, worauf sie sich beschränken muss und wie sie die Einblicke limitiert. Wunderbar dicht und aufregend entfaltet sich das Drama über diesen Außenseiter zwischen zwei starken Frauen und dem suspekten Vater.
Als Ferdl endlich wütend wird, im Zorn zu sich findet und sein Leben den Leidenschaften öffnet, ist die Bewunderung für das auch subtil komische Talent der jungen Autorin bereits ungebrochen. Dieser Roman ist ein hinreißendes Debüt, ein stilistisch und erzählerisch glänzendes Bravourstück, das mit Freude auf die nächste Erzählung warten lässt.
B.K.