Roman
Mare Verlag, Hamburg 2009
366 S., geb.
Versunkene Geheimnisse
Jan Christophersen ein besonderer Abenteuerroman gelungen
„Warum finden, wenn man auch suchen kann?“ Pauls Lebensweisheit ist ein brauchbarer Krückstock durch die letzten Kriegsjahre als Soldat und als Rückkehrer an die dänischdeutsche Grenze. Platziert wird die Geschichte um Silvester 1978/79, in der Woche, die dem deutschen Norden eine fürchterliche Schneekatastrophe brachte. Erzählt wird vom dreißigjährigen Jannis, einem Waisenkind, das Paul Tamm im schlimmen Winter ´44 gerettet und seiner Frau „geschickt“ hat.
Unspektakulär beginnt der erste Roman von Jan Christophersen, doch schnell gerät er zu einer packenden Spurensuche. Denn Jannis weiß nichts von seinen halb englischen Wurzeln, beobachtet als Kind nur die armseligen Ostflüchtlinge, denen der Grenzübertritt nach Schleswig-Holstein gelungen ist und die jahrelang in Pauls Wirtshaus mitgefüttert werden. Die Animositäten zwischen Deutschland und Dänemark bilden den politischen Rahmen, der „Grenzkrug“ in Vidtoft die neue Heimat, Pauls kleine und so großherzige Familie ein Zuhause, in dem Jannis trotz aller Liebe der Zugezogene, der nicht dazu Gehörende bleibt.
Geschickt verwebt Jan Christophersen, 1974 in Flensburg geboren, die Schilderungen vom Watt, der einzigartigen Landschaft, mit historischen Fakten aus der Zeit der Hanse, der schwierigen Nachkriegszeit mit dem dramatischen Geschehen während des Wintersturms, in dem sich das Leben der gesamten Familie Tamm ändern wird. Pauls Vorliebe für die Sagen und Gedichte rund um die versunkene Stadt Rungholt, die es tatsächlich gegeben hat, ist der Motor für ein Leben als Amateurarchäologe. Paul sucht und gräbt im Schlick, schafft es, den Ziehsohn Jannis mit seiner Begeisterung anzustecken, und über Jahre an sich zu binden.
Spannungen bleiben nicht aus. Dabei kommt Pauls Frau Kirsten, die Chefin genannt, mit offenem Herzen alleine gegen engstirnige Bürokraten, feindselige Nachbarn, gierige Opportunisten gut zurecht. All zu lange wehrt sich Jannis gegen die Hinweise, die ihn zu seiner eigenen Herkunft führen, gräbt er sich ein in dem Grenzdorf, ignoriert den Ruf in die Ferne. Wunderbar gerät die Geschichte hier zu einer auf mehreren Ebenen operierenden Jagd nach und Verschleierung von Fakten.
Wer Liliencrons Ballade vom Blanken Hans gelesen hat und für Storms Novellen ein modernes, überzeugendes Gegenstück sucht, wird begeistert „Schneetage“ lesen, der gekonnt sparsam gehaltenen Sprache folgen. Jan Christophersen ist ein brillantes Debüt gelungen.
B.K.