Roman, edition laurin
Innsbruck 2010
224 S.
geb. € 17,90
Vater, Mutter, Kind - ein Trugbild
In ihrem zweiten Buch „Flora Beriot“ begleitet die Südtirolerin Birgit Unterholzner eine junge Frau auf der verstörenden Spurensuche nach ihrem Vater. Das wäre als Thema nicht so interessant, wäre da nicht diese eigenwillige Sprache, eine erstaunlich gewaltige Prosa, die den Leser in ein spannendes Familiendrama hinein zieht.
Flora, Schmuckkünstlerin, alleine lebend mit einem ständig abwesenden Freund, hätte gar nichts dagegen, ihre Vergangenheit ruhen zu lassen, jedoch taucht da dieser Fremde auf, der angeblich zu ihrem Künstlervater recherchiert. Widerwillig gibt sie erste Informationen preis, bis ihr der Fremde nicht mehr gleichgültig ist, sie hinter seinen Fragen auch ein Geheimnis vermutet. Faszinierend schält sich aus dem Dickicht kindlicher Erinnerungen das Panoptikum einer Wirtsfamilie heraus. Beängstigend ist, wie italienische und Südtiroler Verwandte eine eisige Form von Schweigen pflegen, wie der Vater Konturen gewinnt, ein verführerisches Genie mit irritierenden Kanten.
Die Handlung verfolgt in gekonnten Schleifen ein ungleiches Brüderpaar und seziert ansatzweise das Wesen der großen Liebe ansatzweise. Spannend auch, wie aus Details heraus das umfassende Porträt einer gestörten Mutter entsteht, unerwartet des Rätsels Lösung, was den Fremden anbelangt.
Flora wird zum Schluss mit einer grausamen Wahrheit konfrontiert, das Wissen um die eigenen Wurzeln, die sie mit bloßgelegt hat, ist fürchterlich.
Birgit Unterholzner, 1971 in Bozen geboren, entwickelt eine spannende Version der Figurenführung. Ihren Debütroman zeichnet eine starke Musikalität aus, eine sehr eigenständige Erzählstimme, die neugierig auf mehr macht.
B.K.
Veröffentlicht in der FURCHE und im PODIUM 2011