Monika Geier : Die Hex ist tot
Ariadne Krimi 2013, tb, 361 S.
Was hat ein offener Kanaldeckel mit einer Hexe zu tun? Warum muss die Kripo ausrücken, um einer längst vergangenen Störaktion auf öffentlichen Straßen hinterher zu schnüffeln? Warum wird die hinreißend normale Kommissarin Bettina Boll angefordert, um einen alten Fall mit einem neuen zu verknüpfen, während die verschrumpelte mächtige Tante ihrer Kindheit stirbt und viel zu viele böse Erinnerungen wach werden?
Monika Geier schafft es spielend, mehrere Erzählstränge spannend zu verflechten und das Interesse an ihren Figuren raffiniert zu steigern. Die Stimme des unbekannten Soziopathen, der gefangen ist in seiner Sucht und getrieben von grausamen Vorstellungen, hilft noch mit, das Rätsel um die Täterschaft zu verdichten. Das, was diesen Krimi jedoch wirklich gelungen macht, ist die Darstellung des Bösen, das in Jedem ein klein wenig lauert und in glücklicherweise wenigen Menschen unkontrolliert wuchern darf.
Offene Kanaldeckel wären „nur“ eine gefährliche Stolperfalle, wenn da nicht auch noch Frauenleichen drin steckten, ausgesuchte Frauen. Bettina, die in ihrer Dienststelle schon genügend Stress hat, wird gemeinsam mit dem Kollegen Ackermann, der ihr Gefühlsleben sowieso schon beunruhigend durcheinander bringt, an ein auswärtiges Team ausgeliehen, denn ihre bekannt gute Intuition und intelligente Spurenauswertung versprechen eine schnelle Lösung. Allerdings hat die Kommissarin gerade genügend privaten Ballast: sie findet die finstere Tante ihrer Kindheit im eigenen Dreck vegetierend, wird als Stiefmutter überfordert, mit intriganten Mitarbeitern konfrontiert und entdeckt bei ihren Recherchen eine neue Spielart bösartiger Machenschaften. Dazu kommen jede Menge Verdächtiger, Opfer verwandeln sich in Täter, offensichtlich Unbeteiligte sind plötzlich Drahtzieher. Und die Hexenfigur aus Hänsel und Gretels Märchenwald taucht auf einmal in unterschiedlicher Erscheinung erschreckend wirklichkeitsnah auf.
Rund um Ludwigshafen entwickelt Monika Geier in bewährter Manier diese so ruhig startende Geschichte, sind Siedlungen und Städtchen Brutnester, in denen neben Kleinbürgertum und in vordergründig heiler Welt allerhand Gruseliges lauert. Spannend werden Villen, Abrisshäuser und alte Dorfzeilen zur Bühne geformt, sind Internetforen und Diätkurse für Übergewichtige heikle, vielleicht sogar tödliche Treffpunkte.
Monika Geier kann umwerfend die Banalität des Alltags schildern, indem sie passende Details wählt, keinen Klischees aufsitzt, außer sie kann sie humoristisch nutzen, das Tempo ihrer Handlungen perfekt vorantreibt. Nicht nur ihre Heldin Bettina Boll überzeugt als vielschichtiger Charakter. Am Ende ist klar, wer die Frauen so grausam getötet hat und wie versteckt manches Heldentum blüht. Neugierig auf Bettinas weitere Fälle und ihr kompliziertes Lebensgeflecht schließt man ein Buch, das wieder beweist, wie wenig blutgetränkte Szenen nötig sind, um das Böse zu skizzieren.
B.K.