Haymon Verlag, Innsbruck 2007
310 Seiten, geb., €17.90
Chili mit Mord
Ein Krimi und viele leibliche Genüsse: Christoph Wagners „Gefüllte Siebenschläfer“
„Vielleicht bin ich aus diesem Grund auch Archäologe geworden, weil ich tief in mir ein Bedürfnis fühle, Vergangenheit und Gegenwart in Einklang zu bringen, um die Befindlichkeit meiner Seele im rechten Lot zu halten.“ Mario Carozzi, Südtiroler, Genussmensch, Chililiebhaber und im Moment eher wenig erfolgreicher Archäologe ist der Held des Romans Gefüllte Siebenschläfer und entführt in die nuancenreiche Inselwelt Kroatiens, in eine Landschaft, die von Römern, Byzantinern, Venezianern geprägt wurde. Die Spuren des Balkankrieges sind da, Carozzi kratzt nur ein wenig und da brechen schon die schlecht verheilten Narben der Vergangenheit auf. Das hört sich anthrazitgrau an und ist doch ein farbenprächtiges barockes Szenario.
Vielschichtige Ferienlektüre
Dem bekannten Gastronomiekritiker Christoph Wagner gelingt in seinem zweiten Krimi ein Meisterstück: traumhaft leicht sprengt er fröhlich die üblichen Genregrenzen, sein stupendes Wissen um Historie und Hinterhofgeschichten des oberen Adriaraumes verpackt er gekonnt und mit tänzerischer Grazie, da zeigt sich nie auch nur der Schatten eines erhobenen Zeigefingers. Der Krimiplot ist vielschichtiger angelegt als man auf den ersten Blick vermuten möchte, die Toten sind wie Appetithäppchen im Text verstreut. Der Mörder wird ganz zum Schluss bekannt, vielleicht nicht ganz überzeugend, aber Wagner beendet die Geschichte, bevor es brenzlig wird, das Vergnügen bleibt.
In Balaor kommt Carozzi gerade rechtzeitig zum Todessturz des Fischereidirektors, naiv und neugierig sammelt der Archäologe widersprüchliche Hinweise, irritierende Indizien. Unterhaltsam ist es auch, den literarischen und politischen Fährten nachzugehen, die Christoph Wagner augenzwinkernd im Text verstreut, Sticheleien, Persiflagen. Ein Hauch von Herzmanovskys Tarockanien weht durch die Küstenstadt.
Politisch ist dieser Roman allemal, es geht um Tourismus, den Einfluss verbrecherischer Syndikate, den Raubbau an landschaftlichen Schätzen, die Zerstörung alter Kulturen und Traditionen, die trügerische Ruhe, mit der Spuren verwischt, falsche Fährten ausgelegt werden. Zu allem Überfluss bietet die Geschichte auch noch verführerische Ausflüge in die Önologie, verbrämt mit witzigschlechten Gedichten veritabler Saufkumpane und begabter Trunkenbolde.
Lukullischer Exkurs
Die Liebe ist eine subtil erotische Beilage zu den deftig würzigen Speisen, die Christoph Wagner kredenzt. Der Archäologe mit dem Schwerpunkt mexikanische Frühkulturen ist fröhlich fehl am Platz in diesem hübschen Küstenort mit dem römischen Lapidarium, man nimmt ihm daher ein fachliches „Dolce far niente“ nicht übel. Erhellend ist der Vergleich zwischen römischer Luxusküche und den unterschiedlichen Gerichten, die sowohl die kroatische Köchin Gilda als auch Mario Carozzi zaubern.
Gefüllte Siebenschläfer sind übrigens ein Gericht aus der römischen Rezeptsammlung des Apicius, und schmecken nicht so verführerisch – der Autor beschreibt es derart kundig, dass man ihm gezieltes Vorkosten für den Leser abnimmt. Fischer, Kriminelle, Beamte scheinen verborgenen Pfründen nachzujagen, ihre zum Teil recht dubiose Vergangenheit wird wenig versteckt, eine zelebrierte Amoral ist damit verbunden. Aber vordergründig herrscht bei allen viel eingestandenes Interesse an leiblichen Genüssen.
Daher sei diese Warnung den Lesern mitgegeben: bei der Lektüre dieses Buches wird man unweigerlich schrecklich hungrig und durstig.
B.K.
Veröffentlicht in Die Furche Nr. 33/16.August 2007